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Stefan Ginder zum Kreishaushalt 2022

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine Damen und Herren,

Stefan Fleischer, ehemaliger Prokurist einer Schweizer Großbank hat gesagt: Zahlen lügen nicht. Sie sind nur nie die ganze Wahrheit. Und auf diesen fehlenden Teil möchte ich heute ihr Augenmerk lenken.

Die vielleicht wichtigste Zahl in diesem Haushalt ist das negative Ergebnis in Höhe von etwa 2,5 Mio €. Zum ersten Mal seit Jahren müssen wir wieder ein Defizit zur Kenntnis nehmen. Und dieses Defizit wird sich in den kommenden 3 Jahren weiter verfestigen.

Wir geben also konstant mehr aus, als wir einnehmen. In dieser Situation haben wir uns natürlich gefragt, woran das liegt.

An der Wiedereingliederung des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft kann es jedenfalls nicht liegen. Dieser Umstand führt im Ergebnis „nur“ zu einer Verschlechterung von knapp 402.000 €.

Es bleiben also immer noch gut 2,1 Mio € Defizit übrig. Wir haben uns also jede, wirklich jede der über 500 verschiedenen Ausgabenpositionen angesehen und nach Einsparungsmöglichkeiten gesucht.

Aber, meine Damen und Herren, außer teilweise enormen Steigerungen im Vergleich zum Vorjahr kann man hier kaum Möglichkeiten zu Einsparungen feststellen. Diese Ausgabensteigerungen sind größtenteils durch gesetzliche Vorgaben verursacht, die wir als Kreistag zwar nicht zu verantworten haben. Aber wir müssen sie finanzieren. Als erstes Beispiel nenne ich Ihnen nur die Ausgaben für die Heimpflegekosten. Die Gründe hierfür wurden uns ausführlich im Gesundheitsausschuss letzte Woche dargelegt.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie uns die Gesetzgeber in Berlin und auch in Wiesbaden mit den Folgen ihrer Politik im Stich lassen, ist der Bereich SGB XII bzw. die Sozialhilfe für behinderte Menschen. Während es durch das Bundesteilhabegesetz zu Veränderungen in der Zuständigkeit zwischen dem LWV und uns als Träger gekommen ist, führten diese Veränderungen aber auch zu einer Ausgabensteigerung in unserem Haushalt. Und obwohl der LWV Fälle an uns abgeben konnte, kennt die LWV-Umlage nur eine Richtung: nach oben.

Ein weiteres Beispiel findet sich im Bereich der Digitalisierung. Die Geräte, die Technik usw, welche in unseren Schulen verbaut wird, die wird zwar von Bund und Land zu einem großen Teil finanziert. Zur Betreuung dieser Technik wird aber Personal benötigt. 15 Stellen sieht unser Haushalt dafür vor, die mit -vorsichtig geschätzt- etwa 650.000 € jährlich zu Buche schlagen.

Würde der Gesetzgeber also die für uns negativen, finanziellen Folgen so ausgleichen, wie er sie verursacht, hätten wir in diesem Jahr und auch in den folgenden kein Defizit.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns also auf den Weg machen, und diese Kosten einfordern. Nur im Bereich der sozialen Leistungen fehlen uns Jahr für Jahr mindestens 50 Mio €. Denn hier wird das Konnexitätsprinzip aus unserer Sicht dauernd missachtet. Zu diesem Thema können sie von uns bereits heute einen entsprechenden Antrag erwarten.

Denn die Lösung für unser Einnahmeproblem kann es aus unserer Sicht nicht sein, das vermeintlich schwächste Glied in der Kette zu belasten, unsere Kommunen. Und es ist auch kein Erfolg, wiederholt zu behaupten, der Hebesatz zur Kreisumlage sei stabil und im hessenweiten Vergleich überaus niedrig.

Denn hinter dem Hebesatz verbirgt sich reales Geld. Geld, welches die Kommunen an den Kreis abführen. Und das sind heute 6,5 Mio € mehr als noch in 2019 – trotz stabilem Hebesatz. So sieht kein Erfolg aus.

Denn auch unsere Kommunen haben mit ihren ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen. Unseren Umlagebedarf sollen wir darauf abstimmen – schreibt das Land im Finanzplanungserlass. In der Genehmigungsverfügung der Aufsichtsbehörde für den letzten Haushalt finden sich ähnliche Vorgaben. Da wir als Kreis über Rücklagen jenseits der 20 Mio € verfügen, haben wir beantragt, den Hebesatz zur Kreisumlage zu senken und unsere Kommunen so insgesamt um 3,75 Mio € zu entlasten.

Unsere Rücklage wäre dann immer noch ausreichend, um unsere Defizite in den nächsten 3 Jahren zu decken.

Aber, wie wir von Herrn Landrat erfahren haben – das geht ja nicht. Denn offenbar kann man nur ein geplantes Defizit mit der Rücklage decken, nicht aber ein Beantragtes. Der Wechsel des Hutes vom Bürgermeister zum Landrat geht also manchmal schneller, als man glaubt.

Meine Damen und Herren, damit möchte ich zu den Haushaltsanträgen kommen. Viele gibt es dieses Mal ja nicht. Gaststätten und Rebhühner auf der einen Seite, Kreisumlage, Geburtshilfe und die interaktive Haushaltsdarstellung auf der anderen Seite.

Man muss kein Prophet sein, um bereits jetzt zu wissen, welche davon heute eine Mehrheit erfahren werden.

Unser Antrag für den interaktiven Haushalt werden sie heute ablehnen. Die Begründung dafür lieferte ihnen Herr van der Horst ja bereits in den Ausschussberatungen: Die Verwaltung ist an diesem Thema bereits dran. Damit können wir von der AfD-Fraktion sehr gut leben.

Unseren Antrag für die Erstellung eines Konzeptes für den Wiederaufbau der Geburtshilfe im Nordkreis werden sie, geht es nach den Empfehlungen des Ausschusses, auch ablehnen, während die Rebhühner bestimmt ihre Zustimmung erfahren werden.

Könnte man also sagen, dass Rebhühner wichtiger sind als schwangere Frauen? Warum wollen sie sich dieses Themas nicht annehmen? Sind sie wirklich damit zufrieden, schwangeren Frauen eine Anfahrtszeit von 30 – 40 Minuten in das nächste Krankenhaus mit Geburtsstation zuzumuten? Warum wollen sie nicht in einem ersten Schritt schauen, wie die Geburtshilfe evtl. wieder aufgebaut werden könnte, um dann in einem zweiten Schritt erst darüber zu diskutieren, ob es gemacht wird?

Ich stelle diese Fragen alle hier, und ich hätte noch weitere, denn im Ausschuss konnten wir dazu ja nicht diskutieren. Während Herr Landrat noch die Möglichkeit bekam, seine Änderungsanträge vorzustellen und zu begründen, wurde unser Antrag ja direkt und überfallartig abgestimmt. Frau Wilke von den Grünen, ist das ihre Vorstellung von Demokratie? Dem unliebsamen Mitbewerber das Rederecht zu verweigern? Aber nein, das haben sie ja gar nicht. Nach der Abstimmung, meine Damen und Herren, nach der Abstimmung haben sie großzügig das Recht eingeräumt, unseren Antrag zu begründen.

Aber, lassen wir das. Wir sind da mittlerweile sehr entspannt geworden. Es ist uns nahezu gleichgültig, in welcher Art und mit welchen teils fadenscheinigen Gründen sie unsere Anträge ablehnen.

Denn die meisten davon werden dann ja doch umgesetzt. Ich hatte ihnen dazu im letzten Jahr bereits einige Beispiele genannt. Und auch in diesem Jahr habe ich wieder zwei für sie: Wir hatten beantragt, die Zuschüsse zum Landschaftspflegeverband unter den Freiwilligen Leistungen auszuweisen, weil sie dort ganz einfach hingehören. Diese Leistungen sind freiwillig und nichts anderes. Sie hatten das abgelehnt, unsere Argumentation wäre falsch. Und in diesem Jahr? Überraschung: Die Zuschüsse an den Landschaftspflegeverband werden unter den Freiwilligen Leistungen ausgewiesen. Offenbar gehören sie wohl doch dahin.

Nächstes Beispiel: Der interaktive und digital aufbereitete Haushalt. Den hatten wir ebenfalls im letzten Jahr beantragt. Letzte Woche hören wir nun von Herrn van der Horst, die Verwaltung beschäftigt sich bereits mit diesem Thema.

In beiden Fällen sagen wir erneut: Vielen Dank an den Kreisausschuss, der unsere Anträge ja dann doch umsetzt. Wie falsch können sie also sein?

Aber ihnen, meine Damen und Herren hier im Kreistag, ihnen stelle ich die Frage: Ist ihnen das nicht zu peinlich, unsere Anträge rein aus Prinzip abzulehnen? Und dann, wenn sie dennoch umgesetzt werden, dazu zu schweigen? Wie lange wollen sie diese unglaubwürdige Haltung noch aufrecht erhalten?

Doch zurück zum Haushalt. Meine Damen und Herren, auch wenn wir uns erneut an einigen Stellen in diesem Haushaltsentwurf wiederfinden, so werden wir dem Haushalt in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Wir vermissen Anstrengungen, unsere Kommunen zu entlasten. Einen Vorschlag dazu haben wir gemacht. Stattdessen nehmen wir über die Kreisumlage, die eigentlich eine reine Fehlbedarfsumlage ist, immer mehr Geld ein. Geld, was unseren Kommunen fehlt. Und zusätzlich scheuen wir uns nicht, Förderungen aus der Starken Heimat einzuwerben, einem Programm, welches ausschließlich über die Heimatumlage von den Kommunen getragen wird. Den Förderbescheid dazu haben wir Ende Januar erhalten, sie erinnern sich.

Vielen Dank.

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